Warum noch ein Blog?

Das Internet ist voll von Blogs. Guten wie weniger guten. Es herrscht eine Kakophonie von Meinungen und Stimmungen. Warum also noch ein weiterer Blog?
Nun, in der Entwicklung der menschlichen Weltbilder gibt es mehrere Stufen. Recht am Anfang stand die Erde im Mittelpunkt. Schon aus religiösen Gründen war dies wichtig. Das Universum war geozentrisch.
Gegen Ende der Renaissance kam die kopernikanische Wende. Die Erde wurde aus dem Mittelpunkt des Universums verstoßen – dort stand fortan die Sonne. Das heliozentrische Weltbild war nunmehr maßgebend. Später, ab dem frühen 20. Jahrhundert setzte sich dann die Erkenntnis durch, dass das Universum noch viel größer war als nur ein einzelnes Sonnensystem und womöglich gar kein konkretes Zentrum hatte.
Zum Glück jedoch boten parallel die Psychologie und später die Neurowissenschaften einen Ausweg an: Das egozentrische Weltbild. Und somit steht die Geistesgechichte nahezu wieder am Anfang, als Protagoras sagte: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Derjenigen, die sind, so wie sie sind. Derjenigen, die nicht sind, so wie sie nicht sind.“ (Anthrōpos metron hapantōn.)

Protagoras
Protagoras


Und was wäre dem egozentrischen Weltbild angemessener als ein eigener Blog? Meine Sicht durch meine persönliche Brille auf meine kleine (oder manchmal auch nicht so kleine) Welt?

Aber da ist nochetwas, was mich regelrecht hierher in einen eigenen Blog treibt: Der von mir so empfundene Verfall der sozialen Medien. Twitter ist zur PvP-Arena des gegenwärtigen Diskurses verkommen. Für die Nicht-Gamer, die sich hierher verirren: PvP steht für „Player versus Player“, ein kurzes, dafür effektives 1-gegen-1-Gemetzel. Man versucht verbal, sei es argumentativ, meist eher polemisch oder mit Wortwitz den „Gegenüber“ auszuknocken. Nicht, dass ich mich daran nicht gerne beteilige, ich halte mich sogar für durchaus geschickt in der sophistischen Spiegelflechterei und pointierten „Versenkung“ mir unlieber Positionen, doch das führt am Ende nicht zum Erkenntnisgewinn. Gedanken und Ideen sollen reifen, abgewogen werden dürfen, erforscht und entwickelt werden. Hierfür ist twitter denkbar ungeeignet.
Facebook ist dann noch um Längen ärger als twitter. Kann twitter noch wenigstens mit zugespitzten Formulierungen und Verbalstilistik wenigstens für den einen oder anderen Lacher sorgen, ist Facebook einfach nur zum „WvW“ der sozialen Medien verkommen. Auch hier die Erklärung: WvW steht für „World versus World“ – Spieler unterschiedlicher Server treten in Grüppchen, Gruppen, Großgruppen („Zergs“) oder wirklich großen Großgruppen („Blobs“) gegeneinander an. Sehr gut, um den gruppendynamischen Zusammenhalt mittels der Abgrenzung von „den anderen“ zu befördern, schrecklich jedoch, da es den Respekt oder die Toleranz vor „den Anderen“ systematisch aberzieht. Für ein Computerspiel ist dies kein Problem; für ein „soziales Medium“ schon.
Nun, abseits aller gern genommenen Ausflüge in die Welt des PvP und WvW liegt mein persönliches Interesse jedoch eher im „PvE“ – „Player versus Environment“. Hier kann der Spieler meist in Ruhe die Spielwelt erkunden, lustige Details, „eastereggs“ entdecken oder einfach mal innehalten. Übertragen auf die Welt der sozialen Medien erscheint mir hier das Äquivalent ein Blog zu sein: Hier kann ich in Ruhe und ungestört meinen Gedanken nachhängen, mal diesen, bald jenen Faden aufnehmen und weiterspinnen oder wie einen spannenden Stein am Strand aufnehmen und einfach nur betrachten. Und hinterher kann ich das, was ich für mich als bedenkens- oder betrachtenswert entdeckt habe, als Text mit anderen teilen, falls Interesse daran besteht.

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