Betreff: Coronaprämie

-offener Brief an den DBwV-

Sehr geehrte Damen und Herren des Bundeswehrverbandes,

am heutigen Tage erhielt ich mit dem Dezembergehalt nun auch die bereits seit längerem angekündigte „Coronaprämie“ in Höhe von 300,- Euro. Dies ist der Grund, weshalb ich mich an Sie wenden möchte. Vorab – ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie als Verband von Ihrer ursprünglichen sehr euphorischen Kommunikation zu dieser Einmalzahlung abgerückt sind. Gleichwohl erachte ich es als notwendig, diese Maßnahme in einem größeren Kontext zu betrachten, was ein schlichtes und stillschweigendes Hinnehmen dieser Summe für mich ausschließt. Ich finde diese Zahlung ganz grundsätzlich falsch und dies aus mehreren Gründen, die ich hier darlegen möchte:

Zunächst zum Kontext: Die Coronapandemie und die resultierenden gesellschaftlich notwendigen Maßnahmen zu deren Eindämmung und Bekämpfung treffen nicht alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen hart: Personal in den Krankenhäusern, aber auch in den Gesundheitsämtern muss beruflich erhebliche Härten ertragen: Überstunden, unplanbare Schichtdienste und die volle Konfrontation mit den unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie: Zunehmende Fälle schwer- und schwerstbehandlungsbedürftiger Patienten, Menschen, die innerhalb kürzester Zeit aus dem Leben gerissen werden. Das ist hart für Leib und Seele.

Andere Berufsgruppen leiden mehr unter den Maßnahmen, mit denen wir als Gesellschaft -zu Recht- auf die Herausforderung durch Corona reagieren: Mein „Lieblingsitaliener“, der seit 30 und mehr Jahren als Zugewanderter eines der besten italienischen Restaurants in Koblenz aufgebaut hat, der mit seinen Mitarbeitern, seiner Familie über all die Jahre tagein, tagaus geschuftet hat, immer gastfreundlich, zuvorkommend, dieser Mensch ist in 2020 wohl nicht nur äußerlich gealtert. Wann immer ich dieses Jahr seinen Außer-Haus-Service in Anspruch nahm, spürte ich eine Freude und Dankbarkeit über jede Bestellung bei ihm. Aber hinter der Freundlichkeit und nach Außen getragenen möglichst routinierten Fröhlichkeit spürte man die Angst. Angst darum, wie es mit dem Restaurant weitergehen soll, mit der mühsam aufgebauten Existenz, mit den Mitarbeitern und der Familie. Gleiches gilt für meine Friseurin, eine türkischstämmige Dame. Sie hat sich ebenfalls über Jahre hinweg mit allen Härten und Entbehrungen eine Existenz und ein eigenes Geschäft aufgebaut und auch sie kann die Sorgen um das „wie weiter“ kaum verbergen im Gespräch. Ein Bekannter von mir arbeitet in der Veranstaltungstechnik-Branche. Auch er steht mit seinem Geschäft vor dem Aus, lebt vom Ersparten der letzten Jahre.

Und wenn ich als Soldat, als Offizier der Bundeswehr dieses Jahr vielleicht einmal öfters bei meinem Italiener Essen bestellt habe, als dass ich normalerweise dort essen gegangen wäre oder wenn ich vielleicht einmal öfter beim Friseur war als unbedingt notwendig, wenn die Trinkgelder bei diesen Anlässen ehr nach oben als nach unten angepasst wurden, dann auch, weil ich mir dies leisten konnte; weil ich als Offizier ohnehin zu den Besserverdienenden in diesem Land gehöre. Und, dies ist in 2020 ein ganz wesentlicher Punkt: Weil ich mir keinerlei Sorgen um meine wirtschaftliche Existenz machen muss. Als ich Anfang des Jahres erkrankte und für eine Woche ins Krankenhaus musste, kam ich nicht nur mit dem BwZK in Koblenz in eines der besten Krankenhäuser Deutschlands, sondern ich musste mir außer um meine Gesundheit um nichts weiter Sorgen machen. Auch anschließend nicht. Mein Arbeitgeber ist zwar chronisch unterfinanziert, dies hat sich aber noch nie in meinem Gehalt widergespiegelt oder in Überlegungen, mich zu entlassen.

Während also eine Vielzahl von Menschen, von Mitbürgerinnen und Mitbürgern 2020 wirtschaftliche Einbußen hinnehmen musste und Etliche mit Panik auf die kommenden Rechnungen für Mieten oder die Gehaltszahlungen ihrer Mitarbeiter schauen und vor den Scherben einer beruflichen Existenz stehen, sieht meine persönliche Bilanz der Coronakrise anders aus: Umgehend wurde im Rahmen des ersten „Lockdowns“ auf breiter Front HomeOffice befohlen. Für mich bedeutete dies: Keine 75km mehr morgens zur Arbeit pendeln und abends zurück. 150km am Tag eingespart. Und 2 Stunden Lebenszeit am Tag gewonnen, die ich nutzen konnte, um vernachlässigte Hobbies zu pflegen. Zudem wurde die eine oder andere Dienstreise durch eine Videokonferenz ersetzt, was oftmals inhaltlich den gleichen Outcome erzeugte, aber der Bundeswehr Geld und mir persönlich Lebenszeit eingespart hat. Für mich war der Lockdown mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, aber auch hinsichtlich der Lebensqualität überwiegend ein Gewinn.

Nun, sicherlich bin ich als Oberstleutnant, der 2020 als BMVg-Angehöriger mit mobil nutzbarer IT ausgestattet war, auch innerhalb der Bundeswehr nicht der idealtypische Fall sondern privilegiert. Dies ist mir bewusst. Aus meinem Kameradenkreis weiß ich aber auch, dass auch dort, wo es keine mobile IT-Ausstattung gab, oft aus Fürsorgegründen -berechtigterweise- die Soldatinnen und Soldaten ins HomeOffice geschickt wurden. Nun, dies bedeutete in vielen Fällen eine telefonische Bereitschaft ohne den „normalen“ Alltagsdienst. Von Arbeitsspitzenbelastungen wie in der Pflege oder im Logistikgeschäft der zivilen Wirtschaft keine Spur.

Natürlich haben viele Kameradinnen und Kameraden auch im Rahmen der Pandemielage in Coronalagezentren oder ziviler Verwaltung unterstützt. Auch in meinem Landkreis unterstützen Kameraden in Testeinrichtungen oder in der Verwaltung bei der Nachverfolgung von Infektionsketten. Ich finde dies richtig, gut und anerkennenswert. Gestattet sei aber auch der Hinweis, dass diese Tätigkeiten (nach meiner Kenntnis) mit den „üblichen“ Instrumenten der Arbeitszeiterfassung und den entsprechend zu gewährenden Ausgleichsleistungen (Freizeit, „DA“, „DzuZ“) abgegolten werden. Sollte ich hier irren, bitte ich um Korrektur.

Aber neben dem finanziellen Aspekt hat die Tätigkeit meiner Kameradinnen und Kameraden im Rahmen der Corona-Amtshilfe einen Aspekt, welcher das Berufsethos zumindest nach meinem Verständnis berührt. Ich habe geschworen, diesem, meinem Land treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Dies bedeutet für mich auch, im Falle des Falles nach Afghanistan, Mali oder in den Kosovo in den Einsatz zu gehen. Oder ich werde im Rahmen der NATO oder EU unsere Alliierten auf dem Kontinent notfalls unter Einsatz meines Lebens gegen äußere Gefahren verteidigen. Mit Verlaub, angesichts dessen sollte im Rahmen eines nationalen, pandemiebedingten Notstandes auch die Amtshilfe durch meinen Diensteid mit abgedeckt sein und keine zusätzlich anzuerkennende Sonderdienstleistung darstellen.   

Der ehemalige Verteidigungsminister Thomas DeMaiziere beklagte einst, dass wir Soldaten nach Anerkennung „gierten“. Seinerzeit habe ich mich über diese Aussage gemeinsam mit Ihnen vom DBwV geärgert und aufgeregt. Als später Frau von der Leyen als Ministerin der Bundeswehr ein „Haltungsproblem“ attestiere, auch da war ich innerlich getroffen und fühlte mich in meiner dienstlichen Haltung, meinem Selbstverständnis gekränkt. Und jetzt in diesem Krisenjahr 2020 kommen Sie, werte Kameradinnen und Kameraden vom DBwV mit der Corona-Prämie, welche Sie zunächst auf allen Kanälen moderner Kommunikation „als Erfolg des Verbandes für seine Mitglieder“ feierten. Mittlerweile sind Sie nach vermeintlich reichlich negativen Rückmeldungen etwas „zurückgerudert“ und defensiver in der Kommunikation. Dennoch: Was bleibt, ist ein sehr fader Beigeschmack für mich. Und 300 Euro Prämie in einem Jahr, in welchem ich außer gesparten Pendlerkosten und gewonnener Lebenszeit keine weiteren Härten zu ertragen hatte. In diesem Jahr 2020 also bestätigen Sie und diese zunächst von Ihnen gefeierte Corona-Prämie genau jene Klischees vom larmoyanten Soldaten, der ständig der (auch finanziellen) Rückversicherung bedarf und der sich für die Erfüllung des Auftrages, für welche er ohnehin (gut) im Grundgehalt bezahlt wird, gern zusätzlich entlohnen lässt. Damit haben Sie es geschafft, mehr an meinem beruflichen Selbstverständnis und meiner inneren Wertschätzung zu kratzen als die beiden besagten Minister.

Dies ist dann auch der Grund, aus welchem ich Ihnen heute schreibe: Ich habe das Gefühl, mich von jenem Klischeebild, welches zu bestätigen Sie mit beigetragen haben, distanzieren zu müssen. Nein, ich will diese Prämie nicht; ich habe Sie in keinster Weise verdient und ich bedarf auch nicht der ohnehin meistens eher zweifelhaften, weil zeitlich sehr befristeten öffentlichen Anerkennung. Vielmehr fühle ich mich, und ich denke dies klang deutlich an, durch diese Zahlung gekränkt, denn diese vermittelt den Eindruck, meine Haltung und meine Pflichterfüllung wären konditioniert und überwiegend vom „schöden Mammon“ abhängig. Danke für nichts!

Ich wünsche Ihnen trotz alledem einen guten Rutsch in ein hoffentlich weniger turbulentes und teils chaotisches Jahr, in dem es uns als Gesellschaft gelingen möge, diese Pandemie sowie die durch diese verstärkte Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden. Und ich wünsche Ihnen die Erkenntnis, dass wir Soldaten in dieser Gesellschaft zumindest wirtschaftlich nicht zu den „Verlierern“ der Pandemie gehören und somit angesichts unseres Diensteides, unserer Pflicht zum treuen Dienen und im Rahmen der gesellschaftlichen Solidarität zumindest in den oberen Gehaltsgruppen eher zurückstecken als zusätzliche Forderungen aufstellen sollten.

Mit kameradschaftlichen Grüßen

Martin Jende

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