Gedanken zum 13. August

Eigentlich sollte man das Gedenken an den 13.08.1961 und den Mauerbau nicht instrumentalisieren und für tagespolitische Auseinandersetzungen nutzen. Da es aber im rechten wie im linken Spektrum -interessanterweise v.a. durch Jugendorganisationen- doch geschieht, hier nun meine 2cents dazu:

1) Westdeutsche, lasst diesen Gedenk- und Trauertag uns Ostdeutschen oder zumindest jenen, die in diesem Unrechtsstaat DDR leben mussten, auch wenn wir 30 Jahre nach der Widervereinigung vielleicht keine „Ossis“ mehr sind. Ihr habt Euch seinerzeit im bequemen, wohligen Westen eingerichtet und Euer schlechtes Gewissen gegenüber den „Brüdern und Schwestern“ in der DDR durch Westpakete mit Aldi-Kaffee und gebrauchten Klamotten beruhigt. Und „Kuli“ hat uns ja auch immer so lieb extra bei EWG gegrüßt. Darüber hinaus jedoch habt Ihr -seid froh darüber- keine Ahnung, wie es war in diesem Staat zu leben oder für seine Freiheit zu demonstrieren, in den Knast zu gehen oder sich sonstirgendwie zu einem Unrechtsstaat zu verhalten. Also versucht gar nicht erst, Deutungshoheit über dieses Ereignis zu erlangen. „Unsere“ Vergangenheit, „unsere“ Stasi-Knäste, „unsere“ Montagsdemos.

2) Die Verknüpfung von Mauertoten mit aktuellen Todesfällen an Grenzen ist historischer Whataboutismus. Ein Aufrechnen von Unrecht gegeneinander, ein Aufrechnen von Menschenleben ist moralisch nicht nur fragwürdig, sondern verwerflich, trägt nix zur Verbesserung irgendeiner Situation bei und widerspricht der jedem einzelnem Menschen innewohnenden Würde. Und wenn die organisatorischen Nachfahren der Täter von einst dies tun, so ist es umso perfider.

3) Wenn nun die organisatorischen Nachfahren der Mitläufer von damals sich über Punkt 2 aufregen, so ist dies auch schnell als der Tagespolitik geschuldete instrumentale und moralisch fragwürdige Empörung entlarvt. Es war der CSU-Bonze Strauß, der mit seinem dicken KoKo-Kumpel, dem Bonzen Schalck-Golodkowski jenen Milliardenkredit eingefädelt hat, welcher Stasiknäste, Unterdrückung und Mauertote um 8-9 Jahre verlängern geholfen hat. Es sind Ost-CDU und Ost-LDPD, die der SED-Diktatur als Parteien des „Demokratischen Blocks“ ein Feigenblättchen der demokratischen Legitimation geliefert haben. Nach der Wende, auf die jene Blockflöten und Wendehälse schnell noch aufgesprungen sind, hatten die Schwesterparteien aus Westen keinerlei Berührungsängste, sich jene als organisatorische Basis für Wahlerfolge im Osten einzuverleiben. Also, jammert bitte etwas leiser über die Täter von einst, Euer Mitläufertum ist durchaus im Gedächtnis geblieben.

P.S. Wenn Ihr nach den legitimen Nachfahren des Widerstandes gegen die SED-Diktatur sucht, kleiner Tipp:

Es gibt eine Partei, der man 1946 die Pistole auf die Brust setzte, getreu dem Motto „Bekenne oder brenne“ um sie in eine Zwangsheirat mit den Kommunisten zu zwingen. Eine Partei, au deren Kreisen damals etliche Mitglieder in Lager oder Zuchthäuser verschwanden, oder die „einfach so“ verschwanden oder die das Land verlassen mussten, so lange es noch ging. Dort gibt es eine Legitimation als Widerstand in der DDR.

Und Tipp Nr. 2: Es soll sogar eine Bewegung gegeben haben, die 1989 nach der Kommunalwahl und deren ganz offensichtlicher Fälschung anfing, im Umfeld von Kirchengemeinden -interessanterweise meist evangelischer, weniger katholischer(?)- diese Diktatur zum Einsturz zu bringen. All jene, heute würde man sagen „grassroots“-Gruppierungen und Grüppchen haben sich dann unter dem Titel „Bündnis 90“ zusammengeschlossen. Spannend: Veränderungen und Revolutionen werden offenbar tatsächlich im Einklang mit Marx’scher Lehre durch eine „Avantgarde“ initiiert und vorangetrieben und nicht durch die Masse der Mitläufer.

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